Kindsrückholer
Algier/Algerien, 2004
Bis vor kurzem war er selbst noch ein Kind und jetzt wollte er ins politisch angespannte Algerien reisen, um einem algerischen Vater das Kind mit einer deutschen Mutter abzuluchsen, es notfalls zu entführen. Falls der Vater sich weigert, den siebenjährigen Jungen auszuhändigen.
Der Plan klang nicht nur wirr und absurd, er hatte gefährliche Züge. Man fährt nicht einfach nach Algerien, um dort einen jungen Staatsbürger
zu entführen oder bei der Ausreise zu begleiten. Und schon gar nicht, wenn man gerade selbst erst volljährig geworden ist, weder die Sprache des Landes spricht, noch irgendwelche Erfahrungen in Krisenregionen gesammelt hat.
Wer beauftragt einen Kindsrückholer eigentlich?
Elternteile, die verzweifelt sind, weil sich der Ehepartner plötzlich mit dem gemeinsamen Kind aus dem Staub gemacht hat. Bei Ehen, in denen auch unterschiedliche Nationen, Bräuche, Sitten oder der Glauben nach der Trennung aufeinanderprallen, passiert das nicht selten.
Ich habe mit sehr erfahren Kindsrückholern gesprochen, ausschließlich Männern, die in vielen Berufsjahren bis zu 50 Kinder aus verschiedenen Länder zurückholten, meist in Zusammenarbeit mit dem Gesetz, aber auch schon mal dagegen. Je nachdem, wieviel der Auftraggeber, meist die Mutter, zu zahlen bereit ist. 20.000 bis 40.000 Euro kann es kosten, ein "geraubtes" Kind aufzuspüren, zu observieren und schließlich zurück zur Mutter zu bringen.
Der unerfahrene und sehr naive Kindsrückholer, den ich nach und in Algier begleitete, verlangte nur 6000 Euro, weil die Mutter auch nicht mehr Geld hätte aufbringen können. Die Hälfte als Vorschuss, den Rest bei Übergabe des Kindes.
Er war ein solcher Anfänger, das er bereits kurz nach der Landung in der algerischen Hauptstadt in's falsche Auto stieg - nicht alles was gelb ist, ist ein Taxi! - und ausgeraubt wurde. Er sprach kein Französisch und konnte so den Überfall bei der Polizei auch nicht melden. Wie hätte er zudem seinen Aufenthalt begründen sollen?
Und doch, man mag es nicht glauben, ist die Sache gut ausgegangen und das verschleppte Kind glücklich und gesund zur Mutter zurückgekehrt.
Weil der Kindsrückholer seinen Job so gut gemacht hat?!
Nein, weil der Vater des Kindes nur das Beste für seinen Sproß wollte und ihn selbst der Mutter zurück brachte.