Jenke als...Seelensammler
Bangkok/Thailand, 2007
Bangkok. Jede Stunde vier Gewaltverbrechen, jede Stunde drei Verkehrstote. Einen staatlichen Rettungsdienst gibt es hier nicht. Nur wer Geld hat, wird optimal versorgt. Aus diesem Grund haben Freiwillige eine Rettungs-organisation gegründet, die Tag und Nacht im Einsatz ist. Sie sammeln auf, worum sich hier sonst niemand kümmern mag. Tagsüber sind die meist ehrenamtlichen Helfer Bankangestellte, Handwerke oder Computer-spezialisten. Nachts ist der Tod ihr Leben. Ich werde sie begleiten, die Leichensammler von Bangkok.
Eine sich tief in die Psyche eingrabende Nacht lang.
21.00 Uhr. Dienstbeginn. Ich treffe YOD, Leichensammler seit 17 Jahren. Er ist einer der Wenigen, die es hauptberuflich machen. Er arbeitet an 30 Tage im Monat, an Wochenenden und während der Ferien.
Und noch bevor ich mit ihm sprechen kann, wird es plötzlich hektisch. Notruf! Wir müssen sofort los.
„Schnell in den Wagen!“ ist das einzige, was ich selbst auf thailändisch verstehe. Mit Vollgas durch die acht Millionen Einwohnermetropole. Ganze 30 Minuten brauchen wir bis zum Unfallort. Der Verkehr war einfach zu dicht. Doch auch wenn YOD noch riskanter und noch schneller gefahren wäre, hätte er das Leben des Motorradfahrers nicht mehr retten können. Kurze Hose, T-Shirt und Badeschlappen waren alles, was der trug, als er in einen entgegenkommenden PKW raste. Vom PKW weit und breit keine Spur. Fahrerflucht.
Mich erschreckt nicht nur der Anblick des Toten. Auch die lachenden Gesichter um mich herum kann ich nicht einordnen. Jeder, so scheint es, will unbedingt ein Foto des grauenhaften Anblickes haben. Für’s Archiv, für Freunde, für’s Internet. Selbst die Retter knipsen in einem fort.
Der Tod wird in Thailand anders wahrgenommen, erfahre ich später. Und durch solche Konfrontationen will sich so manch einer die Angst vor dem eigenen Ableben nehmen.
Keine der vielen Reportagen, die ich in den letzten neun Jahren gedreht habe, hinterließ solche schrecklichen Bilder in meinem Kopf. Die Körper der vielen Unfallopfer, um die wir uns in dieser Nacht gekümmert haben, waren aufs Äußerste entstellt, so dass mein Kameramann und ich noch Nächte später kein Auge zugemacht haben. Natürlich dreht sich auch bei den Leichensammlern Bangkoks mittlerweile vieles ums Geld und um's Ansehen. Auch soll ein Großteil ihres Antriebs ganz egoistisch der Verbesserung des eigenen Kharmas dienen
und trotzdem: Vor ihrer Arbeit kann man nur den allergrößten Respekt haben.